Ghosting - Schweigen, das schmerzt
- Valeria

- 14. Sept.
- 3 Min. Lesezeit

Plötzlich keine Nachricht mehr. Kein „Es liegt nicht an dir“, kein Abschied, nur Schweigen. Ghosting, der abrupte Kontaktabbruch ohne Erklärung, ist längst kein reines Dating-Phänomen mehr. Freundschaften, berufliche Kontakte oder romantische Beziehungen können gleichermassen betroffen sein. Doch warum ghosten Menschen? Was macht das mit denen, die geghostet werden, und wie hängt es mit Trauma zusammen?
Warum ghosten Menschen?
Ghosting ist oft ein Ausdruck von Vermeidungsverhalten. Gründe können sein:
Konfliktvermeidung: Die direkte Ansprache unangenehmer Gefühle wird gemieden.
Überforderung oder Unsicherheit: Eigene Bindungsängste, Unklarheit über Gefühle oder Angst, zu verletzen.
Mangelnde Verbindlichkeit: Gerade in der schnelllebigen Online-Kommunikation kann es leichter erscheinen, einfach zu verschwinden.
Macht oder Kontrolle: Schweigen kann als Mittel genutzt werden, um das Ende zu bestimmen und die andere Person zu verunsichern.
Selbstschutz: Manchmal schützt Ghosting vor vermuteten negativen Reaktionen.
Die psychologischen Folgen
Für die Betroffenen ist Ghosting oft sehr schmerzhaft, weil die fehlende Erklärung Raum für Selbstzweifel, Grübeln und Verlust von Vertrauen lässt. Studien zeigen, dass soziale Zurückweisung dieselben Gehirnregionen aktiviert wie körperlicher Schmerz.
Selbstzweifel: „Habe ich etwas falsch gemacht?“
Offene Enden: Kein klarer Abschluss erschwert das Loslassen.
Psychischer Stress: Angst, Traurigkeit und depressive Verstimmungen können verstärkt werden.
Ghosting heute: Ein Produkt der digitalen Welt
Ghosting ist kein neues Phänomen, wurde aber durch digitale Kommunikation verstärkt:
Apps, Messenger, Social Media erleichtern schnelle Kontakte und ebenso schnelle Abbrüche.
Anonymität und Distanz senken die Hemmschwelle, ohne Konsequenzen zu verschwinden.
Gesellschaftlicher Wandel: Flexibilität wird oft über Verbindlichkeit gestellt.
Beschleunigter Lebensrhythmus und Pandemie: Digitale Beziehungen wurden wichtiger, was auch die Ghosting-Erfahrungen steigerte.
Ghosting vorbeugen
Völlig verhindern lässt sich Ghosting nicht, aber man kann einiges tun, um das Risiko zu senken:
Frühe Klarheit: Erwartungen und Grenzen offen kommunizieren.
Verbindlichkeit leben: Ehrlichkeit und Transparenz fördern respektvolles Verhalten.
Ehrliche Abgrenzung: Wenn ein Kontakt nicht passt, lieber klar benennen, statt selbst zu ghosten.
Eigene Resilienz stärken: Ghosting mindert nicht den eigenen Wert.
Bewusste Auswahl: Auf Kommunikationsstil und Zuverlässigkeit der anderen Person achten.
Ghosting und Trauma
Für Menschen mit traumatischen Erfahrungen kann Ghosting besonders verletzend sein. Plötzlicher, unerklärter Kontaktverlust kann frühere Bindungsverluste, Ablehnungserfahrungen oder Vernachlässigungen aktivieren.
Retraumatisierung: Ghosting löst Gefühle aus, die an frühere Traumata erinnern, Hilflosigkeit, Verlassenheitsangst, Misstrauen.
Trigger für alte Wunden: Wer in der Vergangenheit Missbrauch oder Vernachlässigung erfahren hat, kann durch Ghosting alte Ängste und Selbstzweifel wieder stark spüren.
Daher ist es wichtig, Selbstfürsorge und emotionale Verarbeitung zu stärken: sich bewusst abgrenzen, das Erlebte reflektieren, ggf. therapeutische Unterstützung suchen. Ghosting muss nicht unbewältigt bleiben; mit Klarheit über die eigenen Gefühle lässt sich auch ein abruptes Ende innerlich abschließen.
Ghosting bewältigen, kurze Hilfestellungen
Ghosting ist schmerzhaft, lässt sich aber besser verarbeiten, wenn man aktiv Schritte unternimmt:
Akzeptieren: Das Schweigen sagt mehr über die andere Person als über dich. Dein Wert bleibt unberührt.
Gefühle zulassen: Traurigkeit, Wut oder Enttäuschung sind normal – drücke sie aus, z. B. durch Tagebuchschreiben oder Gespräche mit vertrauten Personen.
Abschluss schaffen: Symbolische Rituale oder innere Dialoge helfen beim Loslassen.
Soziale Unterstützung suchen: Freunde, Familie oder therapeutische Begleitung bieten Sicherheit und Halt.
Resilienz stärken: Achte auf Selbstfürsorge, gesunde Routinen und realistische Perspektiven.
Professionelle Hilfe: Bei traumatischen Erfahrungen oder Retraumatisierung kann Therapie gezielt unterstützen.
Mit diesen Schritten lässt sich Ghosting verarbeiten, Selbstwert schützen und Vertrauen in zukünftige Beziehungen wieder aufbauen.
Fazit
Ghosting ist schmerzhaft, aber nicht zerstörerisch, wenn man aktiv an der Verarbeitung arbeitet. Akzeptanz, emotionale Ausdrucksfähigkeit, klare Reflexion, soziale Unterstützung und gegebenenfalls professionelle Begleitung bilden die Basis, um das Erlebnis zu integrieren, Selbstwertgefühl zu schützen und zukünftigen Kontakten souveräner zu begegnen.
Als Traumatherapeutin kann ich dabei unterstützen, Ressourcen zu stärken, Resilienz aufzubauen und belastende Erfahrungen gezielt traumasensibel zu verarbeiten, sodass Betroffene wieder mehr Sicherheit, Selbstvertrauen und emotionale Stabilität in Beziehungen finden.



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